Morgen in der Schlacht denk an mich by Marías Javier

Morgen in der Schlacht denk an mich by Marías Javier

Autor:Marías, Javier [Marías, Javier]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Was für ein Unglück, daß ich deinen Namen weiß, obwohl ich dein Gesicht schon morgen nicht mehr kenne, Namen ändern sich nicht und bleiben, sofern sie bleiben, so im Gedächtnis haften, daß nichts und niemand sie herausreißen könnte. Mein Kopf steckt voller Namen, deren Gesichter ich vergessen habe oder die bloß Flecken sind, die in einer Landschaft schweben, auf einer Straße, in einem Haus, in einer Zeit oder auf einem Bildschirm. Oder es sind Namen von Orten und Etablissements, die ewig zu sein scheinen, weil sie bereits da waren, als wir dorthin kamen oder geboren wurden, eine Obst- und Gemüsehandlung namens La Flor Sevillana, das Kino Príncipe Alfonso, das María Cristina, das Voy und das Cinema X, die Buchhandlung Buchholz in der Nähe der Plaza de Cibeles oder der Kolonialwarenladen, an dem noch das Namensschild hängt, auf dem Viena Capellanes steht, die Konditorei der Schwestern Liso und das Hotel Atlantic und andere, das Londres und de Inglaterra, das Oriel und das San Trovaso und das le Zattere und das Halifax, unzählige Namen von Straßen, Geschäften und Gemeinden — Calatañazor, Sils und Colmar und Melk und Medina del Campo die Namen unzähliger Schauspieler und Schauspielerinnen, die wir von Kindheit an gesehen haben und die auf immer in unserem Gedächtnis widerhallen, ohne daß wir ihre Gesichtszüge deutlich erkennen könnten: Eduardo Cianelli, Diane Varsi und Bella Darvi, Ivan Triesault und Leora Dana, Guy Delorme, Frank De Kova und Brigid Bazlen, und durch sie können wir immer noch die Erinnerung auffrischen, wenn wir sie zufällig wieder dort vor uns haben, wo wir sie vor Ewigkeiten in ihren nicht verblassenden Filmen gesehen haben. Die Orte hingegen haben sich verändert, die Geschäfte sind verschwunden oder Banken gewichen, und mitunter sind diejenigen, die fortbestehen, bloß die trägen Schatten ihrer selbst, wir betrachten sie von der Straße aus, trauen uns aber nicht hineinzugehen und erkennen durch das Schaufenster vage die uralten Angestellten oder Besitzer wieder, die uns Bonbons schenkten und mit uns Kinderspäße trieben, wir sehen sie plötzlich, wie sie gekrümmt, geschrumpft und eingefallen sind, das Leben, an dem wir nicht teilhatten, hinter sich haben, vor ihren Holz- oder Marmortheken die gleichen Bewegungen machen, nur unsicherer und langsamer: Es fällt ihnen schwer, sich umzudrehen, es kostet sie Mühe, einzupacken, was sie verkaufen. Ich sehe kaum noch die Gesichtszüge eines jungen, blonden Dienstmädchens vor mir, das ich kitzelte, nachdem ich es mit meinen neun oder zehn Jahren listig in ein Bett gezogen hatte, als meine Eltern aus waren, aber der Name kommt sofort: er lautet Cati. Ich erinnere mich nur undeutlich an die Miene jenes Invaliden, der sich auf seinem Wägelchen mit Handkurbel fortbewegte und dort, wo wir die Sommer verbrachten, Tabakwaren, Kaugummi und Zündhölzer verkaufte — ein halber Mann, die Miene froh und arglos — , aber sein Name ist so klar wie eh und je, und er lautet Eliseo. Die unscheinbarsten Schulkameraden oder diejenigen, mit denen ich nie eng befreundet war, tauchen verschwommen vor mir auf, mit ihren Kindergesichtern, die sie wohl nicht mehr haben, aber ihre



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